Für einen Tag nach Paris (von Martin Hagemeyer – WZ 29.11.2024)
Claudia Scheer van Erp zeigt „10 more steps“ in der Bandfabrik
Die Entstehung der Schau zählt wohl zu den Elementen von „10 more steps“, die besonders bemerkenswert sind: Für einen Tag nur, rund 24 Stunden, reiste Claudia Scheer van Erp nach Paris, nahm Fotos auf und trat den Rückweg an – wählerisch, sorgsam, aber knapp und konzentriert. Daraus wurde eine Ausstellung, die weniger Frankreichs Hauptstadt erwartbar zeigt, mehr Großstädtisches schlechthin – das Tempo inbegriffen.
Scheer van Erp ist Fotografin, hat außer künstlerisch auch in Bereichen Mode sowie Porträt gearbeitet. Ein besonderes Interesse gilt dem Recycling, Neu-Nutzen als künstlerisches Prinzip. Anlass für die neue Schau war die Zusammenarbeit mit dem Philosophen Andreas Steffens, der das Thema Ankunft an fremden Orten in einem Text behandelte – samt der Erfahrung, „nicht richtig anzukommen“. Scheer van Erp entwickelte dazu nun fotografische Variationen – daher der produktive, kreative Kurz-Trip.
Freilich bildet die Schau nicht exakt ihren Anteil an dem Duo-Projekt ab, und ein Grund ist, dass Steffens einst nach Paris kam, um dort zu leben – ein anderer Hintergrund, um Ankommen zu reflektieren oder auch zu vermissen. „Momente, die melancholisch machen“, sieht denn die Künstlerin auch als nur eine Facette ihrer Bilder; auch „Glück“ könne Teil der Ankunfts-Erfahrung sein.
Keineswegs erstmals war Scheer van Erp für das Projekt in der französischen Hauptstadt; von früheren Besuchen, sagt sie, kenne sie Paris recht gut. Genau dies gehört etwa zum Kontext der Serie im Hauptraum, die ebenso kleinteilig ist wie einnehmend – und fast übersehen lässt, dass gleich daneben (exakt ein Mal und spannend verfremdet) der Eiffelturm hängt: Drei Reihen von Detailaufnahmen, viele Orte kennt sie eben, doch jedes Szenario ist ein Momenteindruck. Habseligkeiten wohl eines Obdachlosen fallen auf einem an der Seine in den Blick, auf einem liegt vor einem Lokal ein Pappbecher, bald darauf war er fraglos weggeweht.
Die viel gereiste Künstlerin (sie lebte in Brasilien, war in New York und Singapur) zeigte ihr Schaffen zuletzt beim Neuen Kunstverein („Weg-Projekt“, 2023) und zwei Jahre zuvor im Foyer des Schauspielhauses („Heimatlos“). Präsent, aber wenig betont als Person begleitet die Fotografin seit Langem Wuppertals Kulturszene dokumentarisch. Von „Heimatlos“, zur Zeit von Corona, datiert eine verstärkte Hinwendung zum Objekthaften. Beim Zuhören merkt man: Es muss eine gewisse Umorientierung gewesen sein. Erträge davon finden sich nun bei „10 more steps“ auf mehrerlei Weise.
Objekt im klarsten Sinn ist sicher jenes Exponat, das als einziges nicht-flächig ist: Von der Decke hängt ein bedruckter Streifen, geballt, fast wie geknüllt. Die Form ist allerdings nicht fix: Noch begleitend zur Schau legt die Künstlerin Hand an – und bei der Finissage am 22. Dezember könnte das Werk sich etwa bis zum Boden erstrecken.
Verknüpft mit „Heimatlos“ ist in der Bandfabrik auch der Entschluss zu einer Art der Präsentation, wie sie so nur in diesem Raum möglich ist: Damals hatten ihre Fotos den Weg an die Fenster zum Atrium gefunden – Teil der unverwechselbaren Architektur des Hauses an der Bundesallee. In der Bandfabrik nun wurden ebenfalls Scheiben zur Ausstellungsfläche, und zwar über Ebenen hinweg: Nicht nur auf zwei Fenstern des historischen Fabrikgebäudes zeigt sich ein Flusspanorama, es zieht sich geklebt auch weit über die Wandteile nebenan und dazwischen.
Stichwort „Großstadt-Themen“: Geschwindigkeit vermitteln etwa drei gereihte Großformate an der Wand im zweiten Raum – überhaupt alles dort zeigt bewusst unscharfe Konturen, lässt sofort an Bewegung denken. „Ein Verschwimmen – auch der Zustände“, kommentiert die Künstlerin dazu. Und man wird sagen dürfen, auch wenn Frankophile wohl manche Ansicht leicht lokalisieren könnten: Hier zeigt sich Flüchtigkeit, nicht eigens französisch – Aspekt von Metropolen allgemein.
Ein persönlicher Blick auf die Stadt
Bei allem, was bei „10 more steps“ allgemein als Merkmal vieler Großstädte lesbar sein mag: Dass ihr persönlicher Blick auf Paris einer ist, in dem auch andere genau diese Stadt wiedererkennen, scheint von kompetenter Seite längst bestätigt. Zwei Französinnen habe sie Fotos der Detail-Serie einst gezeigt (nicht zur Langenfelder Schau, man traf sich auf einer der Reisen), und diese hätten spontan kommentiert: „Das ist wie von dort.“
Zu sehen ist „10 more steps“ noch bis zum 22. Dezember an Veranstaltungsabenden der Bandfabrik und individuell nach Vereinbarung via scheerp@scheerp.de