Viele bitterböse Lieder hautnah (von Lilo Ingenlath-Gegic – WZ 18.11.2024)
Generalmusikdirektor Patrick Hahn präsentiert in der Langerfelder Bandfabrik Chansons von Georg Kreisler
Patrick Hahn liebt es, die bissig-amüsanten Lieder von Georg Kreisler zu singen. Am Freitag präsentierte er „böse Lieder“ in einer besonderen Atmosphäre, ganz nah am Publikum in der Langerfelder Bandfabrik.
Mit „Sport ist gesund“ startet Hahn schwungvoll sein Programm. Süffisant besingt er die dramatischen und tödlichen Folgen des Sports. Das Publikum hört begeistert zu, der Funke springt sofort über. Ebenso wortgewandt wie Georg Kreisler (1922-2011) singt Hahn in rasanten Wortkaskaden die Eintragungen unter „Vau“ im Wiener Telefonbuch und hat die Lacher auf seiner Seite. Viermal schon füllte Patrick Hahn mit einem Kreisler-Abend die 700 Plätze im Opernhaus, Anfang November präsentierte er Kreisler in der Semper-Bar in Dresden, wo er an der Semperoper eine Strauss-Oper dirigiert. Er füllt große Säle. Nun präsentiert er Kreislers schwarzhumorige Lieder in der Bandfabrik ganz nah am Publikum, vor „nur“ 65 Menschen – mehr passen nicht in den schönen alten Fabrikraum.
Musik und Text, Humor, die Reaktionen darauf und die Lacher, alles ist direkt, wirkt unmittelbar. Raum und Atmosphäre sind genau richtig für diesen Liederabend. Auch Kreisler präsentierte seine Lieder in kleinem Kreis, gern in Bars. In den 1960er- und 1970er-Jahren fanden die Chansons des Pazifisten und Anarchisten Georg Kreisler bei der großen Masse kein Gehör. Patrick Hahn, bekannt als Generalmusikdirektor des Wuppertaler Sinfonieorchesters, begleitet sich selbst am Klavier, singt mit viel Groove ein bitterböses Lied über Gelsenkirchen, bekommt besonders viel Beifall für „I hab kei Lust“ - eine Aufforderung zum Ungehorsam – und führt mit humorvoller Moderation durch den Abend.
Hahn zeigt auch sein komödiantisches Talent
Beim Lied vom „Musikkritiker“ betont er genüsslich die Zeile „weil ich unmusikalisch bin“ und singt absichtlich schiefe Töne. Unmusikalisch ist der gefragte Dirigent ganz und gar nicht, singen kann er besser als Kreisler, was wohl daran liegt, dass Hahn seine musikalische Ausbildung im Knabenchor begonnen hat. Bei seiner Interpretation der Lieder zeigt er auch sein komödiantisches Talent. Nach der Pause singt er das bekannteste Kreisler-Lied vom „Tauben vergiften im Park“. Hinter wienerischem Walzertakt und makabrem Text schimmert immer wieder Melancholie durch.
Der tabubrechende schwarze Humor der 50 bis 70 Jahre alten Lieder ist erstaunlich aktuell. „I red nix“, zeigt, dass es keine harmlose Konversation gibt. „Was der Mensch wert ist“ bringt die Zuhörer auch zum Nachdenken, „Schieß mit mir!“ verdeutlicht die Sinnlosigkeit von Kriegen. Der in Wien geborene Georg Kreisler, der 16-jährig mit seinen jüdischen Eltern in die USA flüchten musste, war ein großer Pianist, ein genialer Dichter, Wortspieler, Kabarettist und Satiriker. Er schrieb mehr als 500 Lieder, die in keine Kategorie passen und politisch eher „nicht korrekt“ sind. Der Komponist, der auch Opern und Theaterstücke schrieb, litt darunter, dass er auf seinen wienerisch-schwarzen Humor reduziert wurde und ihm weitere Anerkennung versagt blieb.
„Aus Jux und Zufall“ hörte Patrick Hahn mit 18 Jahren zum ersten Mal Kreisler, als ihm ein Freund das „Triangel-Lied“ vorspielte. Hahn fand es toll und entdeckte seine Liebe zu Kreislers Texten und Musik. Die Geschichte vom traurigen Triangelspieler, der im Sinfoniekonzert nur selten zum Einsatz kommt, singt er am Schluss. „Ich bewundere Ihre Ausdauer“, sagt er nach gut zweistündigem Programm augenzwinkernd zum Publikum.
Das applaudiert lang und heftig und bekommt drei herrlich amüsante Zugaben. „Wer jetzt noch nicht genug hat, muss eine CD kaufen“, empfiehlt Hahn.