Am Küchentisch – „Es geht nur in einer Welt!“ (von Michael Bosse – WZ 24.06.2023)

Diskussionsrunde „Am Küchentisch“ in Langerfeld erörtert Wege aus der Klimakrise

Welche symbolische Uhrzeit die „Doomsday Clock“ oder vergleichbare Zeitmesser des ökologischen Weltuntergangs aktuell anzeigen - darüber herrschte am Dienstagabend in der Diskussionsrunde „Am Küchentisch“ in der Bandfabrik in Langerfeld Uneinigkeit. Für den einen war es erst „fünf nach Zwölf“, für den anderen „Viertel nach Zwölf“, für den nächsten schon „Viertel vor Eins“. Einigkeit bestand immerhin darin, dass die westliche Welt in ihrem Lebensstil nicht mehr so weitermachen kann wie bisher, will sie die Grundlagen des Lebens auf der Erde nicht komplett zerstören.

In der von dem Journalisten Stefan Seitz (Wuppertaler Rundschau) moderierten Diskussion wurde der Themenkomplex rund um Nachhaltigkeit, Klimakrise und Energiewende aus drei verschiedenen Perspektiven angegangen. Für die kommunale Ebene sprach der städtische Kulturdezernent Matthias Nocke, den technologieoffenen Blick auf Lösungswege eröffnete der Geschäftsführer der „Circular Valley“-Initiative, Andreas Mucke, die Perspektive des globalen Südens vertrat das aus Indonesien stammende Vorstandsmitglied der Vereinten Evangelischen Mission (VEM), Andar Parlindungan. Gerne hätte Erhard Ufermann, Organisator des Abends und Vorstandsmitglied des Vereins „Kultur am Rand“, auch Vertreter von Protestbewegungen wie die „Letzte Generation“ oder „End Fossil: Occupy!“ zu der Runde eingeladen, wie er zur Begrüßung erklärte. Allerdings hätten weder die eine noch die andere Gruppe auf die Einladung reagiert.

Um die in einer Stadtverwaltung bestehenden Sachzwänge und Konkurrenzverhältnisse weiß Ex-Oberbürgermeister Mucke genau, umso mehr kann er jetzt als Vertreter einer der Kreislaufwirtschaft verpflichteten Initiative anhand lokaler Beispiele aus aller Welt aufzeigen, wie Ideen der Nachhaltigkeit wirtschaftlich erfolgreich sein können. So hatte er etwa eine aus recyceltem Kunststoff hergestellte Dachpfanne mitgebracht, die von einem Start-up in Uganda entwickelt und hergestellt wurde. Das ist für gelernten Ingenieur so etwas wie ein Mutmacher. Sein Fazit: „ Es geht nur in einer Welt, es geht nur gemeinsam!“

Aus der Perspektive des Globalen Südens zieh VEM-Vertreter Parlindungan die Staaten der nördlichen Halbkugel zwar durchaus einer ausbeuterischen Politik, die die so genannten Entwicklungsländer zum „Mülleimer der entwickelten Länder“ gemacht habe. Gleichwohl äußerte er aber beim Blick auf sein Heimatland Kritik an dessen Politik und Gesellschaft. Dort sei der Kapitalismus noch „zu stark“, als dass Ideen des Umweltschutzes bereits Gehör und Unterstützung fänden. Deshalb wünschte sich Parlindungan im Küchengespräch auch, dass sich die Kirche in seinem Heimatland stärker zu dem Thema zu Wort meldet.

Bestehende Regularien bremsen häufig aus
Dezernent Nocke bekannte sich zur Verantwortung von Politik und Gesellschaft und konzedierte, dass die Bekämpfung des Klimawandels nicht zum Nulltarif zu haben ist: „Der Schutz des Klimas muss nicht weh tun, kann aber anstrengend sein!“ Zugleich räumte er ein, dass die Prozesse in der Stadtverwaltung aufgrund der bestehenden Regularien oft „zu langsam“ seien: „Wir bremsen uns in weiten Teilen selber aus.“ Zugleich setzte Nocke aber auch kritische Spitzen gegen Grünen-Politiker - etwa gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, dem er zu viel Dirigismus in der Energiepolitik (Stichwort: Wärmepumpe) vorwarf.

Diese rhetorischen Spitzen fanden im Publikum Nachhall. So mahnte ein Mann vor „Lagermentalität“. Ansonsten „wird es uns nicht gelingen, die Zivilisation zu retten“. Ein weiterer Zuhörer wünschte sich konkrete Vorschläge für ein nachhaltigeres Leben. Und ein Dritter warnte davor, die Diskussion um den Klimawandel „zu lasch“ zu führen.

Die aktuellen Probleme seien seit der Veröffentlichung zu den „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome vor mehr als 50 Jahren bekannt, die Regierungsparteien scheuten jedoch aus Angst vor Abstrafung durch den Wähler immer wieder vor konkreten Maßnahmen zurück.

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