Alkohol: Problemlöser wird zum Problem (von Bernadette Brutscheid – WZ 27.10.2025)
Kinder- und Jugendtheater mit Ein-Mann-Theaterstück „Brandbeschleuniger“ in der Bandfabrik
Es konnte ja nur gut werden. Wer Dieter Marenz und seine intensiven Ein-Mann-Theaterstücke kennt, wusste, dass ihn wieder ein fesselnder Abend erwartet. Und die Besucher in der fast überfüllten Bandfabrik wurden nicht enttäuscht. Eine gute Stunde lang hingen sie an den Lippen von Marenz und folgten ihm auf dem Lebensweg seines Protagonisten. Dass dieser vom Alkohol bestimmt ist, ist den Zuschauern schnell bewusst, der Protagonist weist es zunächst weit von sich. Im Laufe des Stückes entstand intensiv eine berührende Biografie.
Marenz ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut und arbeitet seit 2010 im Bereich der Prävention zum Thema Alkohol, Drogen und Demenz mit dem Kinder- und Jugendtheater zusammen. „Der alte König in seinem Exil zum Thema Demenz und das Stück „Morgen hör ich auf“ zum Thema Alkohol waren sehr erfolgreich. Aufgrund vieler Anfragen wendet man sich mit „Brandbeschleuniger“, einem Stück von und mit Marenz, erneut dem Thema Alkohol zu. Unter der Regie von Volker Schmalöer gibt er einen, zunächst erfolgreichen Architekten mittleren Alters, der mehr und mehr dem Alkohol und später auch dem Kokain verfällt. „Wissen Sie, den habe ich mir nach einen harten Tag verdient“, stellt der Protagonist gleich zu Beginn fest und gießt sich einen guten Schluck Cognac ein. Natürlich nur zum Abspannen, Genießen und frei im Kopf werden, denn „wir reden doch nicht vom Saufen“.
Die Darstellung, wie schmal der Grad vom vordergründigen Genießen über einen „Problemlöser“ zur Sucht ist, fesselte. Im Laufe des Abends wird ein bedrückendes Szenario eines Lebens, mit Rückblicken auf einen trinkenden und prügelnden Vater, entworfen. Getrieben von Kompensierung und Sucht nach beruflichem Erfolg, bleiben Frau und Kinder auf der Strecke und entgleiten ihm.
Mehr und mehr schleicht sich der Alkohol ins Leben
Beruflicher Druck als Entschuldigung der fehlenden Zeit für die Familie, der nie anwesende Vater in problematischen Situationen. Materielle Werte dienen ihm als Rechtfertigung. Mehr und mehr schleicht sich der Alkohol ins Leben, wird betäubender Tröster für den im Selbstmitleid Versinkenden. Die Spirituosen helfen vordergründig gegen die immer wiederkehrenden Alptraumbilder seiner Kindheit. Leicht und beschwingt habe er sich nach dem Trinken gefühlt, umso härter die Realität für den vom Leben sich ungerecht behandelt Fühlenden.
Die Zuhörer erleben die bedrückenden und ganz unterschiedlichen Reaktionen der Söhne auf die Gegebenheiten, begleiten den Protagonisten zu einer gescheiterten Ehetherapie, erleben Scheidung und beruflichen Niedergang und immer wieder seine Rechtfertigung, wenn er trinkt. Eine subtile Steigerung der Problematik im Laufe des Stückes, der man gebannt folgte. Alkohol, genutzt zum Übergießen der Konflikte, wird selbst zum Problem, das nur schwer wieder loszuwerden ist, das man zunächst erkennen und sich selber eingestehen muss. Ergriffen verfolgten die Besucher dem Auf und Ab, der zunehmenden Abhängigkeit und deren Folgen. Vom „Tanz mit dem Teufel“ beim versuchten Entzug, Rückfall und tagelangem Trinken, Scham, Einsamkeit, Krankheit.
Das Stück wendet sich an eine breite Zielgruppe, denn jede Form von Abhängigkeit hat sowohl direkte als auch indirekte Auswirkungen, sterben doch in Deutschland jährlich ca. 65 000 Menschen an Alkohol. So viel wie bei keiner anderen Droge. Die Produktion wurde unterstützt von der Boesken-Stiftung und der Marianne und Emil Lux Stiftung. Weitere Aufführungen: Für Schulen, Einrichtungen und alle, die hinschauen möchten. Mobil einsetzbar, auch als Vormittagsvorstellung buchbar. Infos:
Internet: kinder-jugendtheater.de