Ein fotografischer Lebensfilm (von Wiebke Sievers – WZ 23.06.2025)
Harald Hilscher stellt in der Bandfabrik aus
Das Selbstporträt spielte in der Kunstgeschichte schon immer eine bedeutende Rolle. Dabei lassen sich nicht immer eindeutige Aussagen über ihre Anfertigung treffen. Jedes Porträt war individuell gestaltet und spiegelte die Bedingungen wider, unter denen die Künstlerinnen und Künstler zu Lebzeiten arbeiteten. So musste Albrecht Dürer auf Malerei oder Bleistiftzeichnungen zurückgreifen, während Frida Kahlo sowohl Malerei als auch Fotografie nutzte.
Der Künstler Harald Hilscher hingegen bedient sich in seiner Ausstellung „Selbstsichten – Ein fotografischer Lebensfilm“, die bis 26. Oktober in der Bandfabrik in Langerfeld zu sehen ist, ausschließlich der Fotografie und ihrer technischen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. Chronologisch nach Lebensphasen geordnet, bilden seine Fotos einen Zeitstrahl entlang der Wand, der ihn in verschiedenen Alltagssituationen zeigt.
Es beginnt mit Schwarz-Weiß-Bildern seiner Kindheit. Ab seinem achten Lebensjahr fing er an, selbst Fotos von sich zu machen, erzählt er. Das Konfirmationsbild und die Urlaubsfotos aus den 1960er-Jahren sind bereits in Farbe. Analog aufgenommen, damals gab es noch keine Digitalkameras.
Die Momente, die man festhielt, waren noch etwas Besonderes. Kurator Andreas Steffens verdeutlichte in seiner Eröffnungsrede den Stellenwert der heutigen Handyfotografie. Es gebe nahezu keine Situation mehr, die nicht sofort festgehalten und verbreitet werde: „So verliert das allgegenwärtige Bildmedium seine ursprüngliche Funktion – nämlich einen Moment, eine Situation, eine Person als bedeutend auszuzeichnen. Wenn alles so besonders ist, im Bild festgehalten zu werden, ist es schließlich nichts mehr wert.“
Nostalgisch betrachtet zeigen die Bilder von der Analog- bis zur Digitalfotografie Moden, Einrichtungen und Lifestyle vergangener Zeiten. „Die Kunst liegt nicht in den einzelnen Fotos, sondern in ihrer Anordnung zur Gestaltung einer Rauminstallation. Die Fotos in ihrer chronologischen Abfolge zeigen, wie unsere Wahrnehmung funktioniert“, führte Steffens aus. Fotos bilden ab, wer wir sind oder wer wir einmal waren, doch hält Steffens die Darstellung des Selbst eher für trügerisch: „Was wir sind, wer wir sind, wissen wir ganz genau – aber eigentlich wissen wir es doch nicht“, erklärt er die Selbstwahrnehmung der Ausstellung.
„Im Wesentlichen ist die Installation schon ein Spiegel. Es geht darum, sich selbst zu sehen“, erklärt Künstler Harald Hilscher. „Dann kommt noch der Blick der anderen hinzu, die auf unser Gesicht schauen und uns nicht nur sehen, sondern sogar meinen, uns zu kennen. Dieses Moment der Erkennbarkeit, das sonst nur für die anderen gegeben ist – das ist der Trick des Selbstporträts“, führt er weiter aus.
Normalerweise gestaltet Hilscher (Klang-)Objekte und Grafiken. Der gebürtige Haaner studierte Visuelle Kommunikation an den Fachhochschulen in Trier und Düsseldorf, erwarb Diplome in Illustration und Fotografie. Seit 2011 lebt und arbeitet er in Wuppertal.
Die Ausstellung „Selbstsichten. Ein fotografischer Lebensfilm“ kann noch bis zum 26. Oktober in der Bandfabrik, Schwelmer Straße 133, besucht werden – im Rahmen von Veranstaltungen oder nach telefonischer Vereinbarung unter 0202 69851933.